Bizzi Nießlein:
„Jedes Geschäftsmodell hat seine Zeit.“
Interview
montana hat jahrzehntelang Musik- und Mediengeschichte geschrieben. Was macht das Unternehmen heute?
Fast sechzig Jahre lang hat montana die Ideen von Hans R. Beierlein realisiert. Die vergangenen dreißig Jahre, also die Hälfte der Zeit, durfte ich ihn dabei unterstützen, seit 1998 als Teilhaberin und Geschäftsführerin. 2014, zum 85. Geburtstag von Hans Beierlein, haben wir das Geschäft heruntergeschraubt und beschränken uns seither auf Consulting-Aufgaben im Showbereich.
Beierlein galt als kreativster und einflussreichster Medienmanager. Nimmt er noch am aktuellen TV- und Musikgeschehen teil?
Der Kreativbrunnen sprudelt munter weiter, wenn er auch die Dinge nicht mehr konsequent zu Ende denkt. In seinem Alter hat er jedes Recht zu gedanklichen Kapriolen. Zudem hat sich die Unterhaltungsbranche in den vergangenen Jahren auch sehr verändert. Wäre er heute noch aktiv, sein Spaß wäre sicher um einiges geringer.
Was hat sich denn zum Negativen verändert?
Die Unterhaltungswelt ist schwieriger geworden. Der Weg einer konsequenten, richtigen Umsetzung von guten Ideen war früher zweifellos einfacher. Kreative Entscheider haben auf kurzem Weg mutig und riskant vieles ausprobiert. Guten Ideen stehen heute schon mal schnell Controller, Analysen, Businesspläne entgegen. Oder es werden gute Ideen mit zu vielen Menschen zerredet, jeder möchte es irgendjemanden recht machen. Ich zitiere gern Hans: „Das Unterhaltungsgeschäft ist keine parlamentarische Demokratie. Mehr als vier Personen an einem Tisch sind zu viel.“ Eine gute Idee zu haben, reicht nicht. Sie kraftvoll, überzeugt und auch manchmal stur gegen alle Widerstände durchzusetzen, das ist die Kunst. Hans war Meister dieses Fachs.
Wäre heute noch eine Karriere wie die von Hans R. Beierlein möglich?
Ich kann es mir nicht vorstellen, zumindest nicht in dieser Komplexität. Jedes Geschäftsmodell hat seine Zeit. Dennoch können Erfahrungen aus jener Ära sehr hilfreich sein. Entscheidern fehlen oft Phantasie und Mut – die wichtigsten Eigenschaften von Hans. Dadurch kam zustande, was Altkanzler Helmut Schmidt als „Mediengemischtwarenladen“ bezeichnete. montana hat ja nicht nur Künstler aufgebaut und gemanagt, sondern unendlich viele TV-Sendungen konzipiert und bereichert – vom „Liedercircus“ über die Clip-Show „Formel Eins“ bis zur „Krone der Volksmusik“. Hans Beierlein hat vom DFB die Übertragungsrechte der Nationalelf-Spiele erworben und damit das Fußballbusiness revolutioniert. Er hat jahrelang die erfolgreichsten Kochshows entwickelt oder – ein PR-trächtiger Coup ohnegleichen – die Weltrechte an der Sozialistenhymne „Die Internationale“ erworben. Die Liste seiner durchgefochtenen Ideen könnte ich endlos fortführen. Deshalb habe ich die Homepage von montanamedia als Chronik gestalten lassen, als Denkmal seines unglaublichen Lebenswerks. Ich zehre heute auch sehr von all dem, was ich bei ihm in all den Jahren lernen durfte.


Wiesn-Besuch mit Leslie Mandoki

Sie sind vor über dreißig Jahren als Studentin zur montana gestoßen. Was hat sie damals fasziniert?
Angefangen habe ich in der montana, weil ich unmittelbar nach Abschluss des Studiums nicht so recht wusste, was ich wollte. Ich hatte mich 1986 nach meinem VWL-Studium auf eine Zeitungsanzeige beworben. Erst nach und nach bekam ich mit, in welch einem spannenden Unternehmen ich gelandet war. montana war damals ein Fixstern am Unterhaltungshimmel, Künstler rissen sich um Managementverträge. Es gab kaum eine TV-Show ohne montana-Musiktitel und die Goldenen Schallplatten und CDs kamen quasi kistenweise ins Haus. Auch die lockere, aber disziplinierte und zielgerichtete Arbeitsweise von Hans Beierlein hat mich beeindruckt. Als er mir größere Verantwortung anbot, habe ich zugesagt und die angefangene Doktorarbeit zur Seite gelegt.
War es eine harmonische Zusammenarbeit?
Es war eine sehr fruchtbare, intensive Zusammenarbeit, für die ich unendlich dankbar bin. Aber von Harmonie kann keine Rede sein. Wir haben uns fast täglich gestritten und heftigst diskutiert. Aber Hans hat mir stets seine hohe Wertschätzung gezeigt. Nicht zuletzt dadurch, dass er mich zur Geschäftsführerin und später auch Teilhaberin machte. Es hat mich natürlich gefreut, wenn er in Interviews deutlich machte, wie sehr ich die montana zwei Jahrzehnte lang mitgeprägt habe. Hans hat Wert auf meine Einschätzung gelegt, welche Menschen als Partner und Freund in Frage kommen und mit wem es sich lohnt, zu kooperieren.
Welche Künstler werden noch von montana gemanagt?
Wir haben uns von diesem Zweig des Business schon vor Jahren verabschiedet. Wenn man das Künstlermanagement so umfassend betreibt, wie montana es seit dem Aufbau von Alexandra oder Udo Jürgens getan hat, ist es eine extrem anstrengende und nervenkostende Tätigkeit. Stattdessen haben wir uns auf die Vermarktung des umfangreichen Musikrechtekatalogs fokussiert und die Unterhaltungsredaktionen bei den Fernsehsendern mit Ideen und Konzepten versorgt. Dann kam die Phase, in der die Sender diese Farbe loswerden wollten und so erübrigte sich das Weiterbasteln an Sende-Ideen in diese Richtung.
Heute ist Schlager wieder „in“, warum?
Schlager und junge Volksmusik sind in, weil Menschen fröhlich sein und unterhalten werden wollen. Ein berechtigtes Interesse, immer und überall. Ob am Ballermann, auf der Wies’n, bei der Hochzeit, dem Feuerwehrfest, dem Karneval, Firmenfeiern und vielem mehr. Neben allen anderen berechtigten Musik-Genres vereint sich im Schlager dieses Bedürfnis am deutlichsten. Die meisten Menschen würden dem zustimmen, wenn sie nicht ausdrücklich sagen müssten: Ja, ich mag Schlager und Volksmusik. Ein wichtiger Satz von Hans war: „Ich bin verantwortlich für die Spiele, nicht für das Brot.“ Zu einer Zeit, in der alle Sender mit diesem Thema nichts anfangen konnten, waren Florian Silbereisen, sein Macher Michael Jürgens und die ARD diejenigen, die wussten, wie man diese Themen vorantreiben muss. Das Ergebnis ist maßgebend für den Satz „Schlager ist wieder in“.
2014 wurde bekannt, dass Sie den Musikkatalog von montana an BMG rights verkauft haben. Warum?
Hans R. Beierlein war Mitte achtzig und hat nach wie vor jeden Tag am Schreibtisch gesessen. Ich habe ihn damals gefragt: Was müssen wir uns eigentlich noch beweisen? Seit Jahren bekamen wir monatlich Anfragen von Big Playern des Musikbusiness, die unsere 6.000 Musikrechte-Titel kaufen wollten. 2014 wurden wir mit BMG rights handelseinig. Ich denke, dass die Rechte dort in guten Händen sind. Ein Jahr später haben wir das Haus in der Münchener Königinstraße, das fast sechzig Jahre ein Dreh- und Angelpunkt des Showbusiness war, zugesperrt. montana ist mit verkleinertem Team in die Marschallstraße umgezogen. Wir arbeiten dort Tür an Tür mit dem erfolgreichen Fernsehproduzenten Michael Jürgens, mit dem uns auch eine über 20-jährige Zusammenarbeit verbindet.

Stefanie Hertel und Stefan Mross – zwei Stars aus dem montana-Künstlerstall


Spektakulärer Deal 2014: Beierlein, Nießlein, BMG-Boss Masuch
Was macht Hans R. Beierlein heute? Wie sieht sein Lebensabend aus?
Hans ist ein privilegierter Senior, der das Weltgeschehen aus seiner neuen, schönen und großen Wohnung in Bogenhausen vergnügt, manchmal auch grantig kommentiert. Hin und wieder verbringt er auch Tage in seiner Villa in Südfrankreich. Für mich persönlich ist es die wichtigste Aufgabe, ihm seinen Lebensabend so schön zu gestalten, wie es geht und wie er es verdient hat. Letztendlich habe ich ihm unendlich viel zu verdanken. Ich bezeichne Hans gerne als meinen Lebensmenschen – es gibt niemanden, der mich mehr geprägt hat, außer meinen Eltern natürlich.
In welchen Bereichen ist montana heute tätig?
Die montana ist inzwischen ein kleines Team und steht nach wie vor als Ansprechpartner für Künstler, Autoren, neue Ideen zur Verfügung. Andererseits muss, wie gesagt, die montana niemanden mehr etwas beweisen. Spaß macht es allerdings immer noch, die umfangreichen Erfahrungen und Expertisen im heutigen Musik- und Mediengeschäft möglichst erfolgreich umzusetzen. Dies erfolgt in erster Linie mit Unikat, einem jungen, aber tatkräftigem Label. Es wird geführt von Michael Jürgens und mir. Das erste Produkt, KLUBBB3, konnte sich sehr erfolgreich behaupten. Im Januar 2018 erscheint bereits das dritte Album. Und auch hier zeigt sich: Eine Idee muss konsequent, oft auch gegen viele Widerstände überzeugend durchgesetzt werden. Hans hätte es nicht anders gemacht.
Eine ganz andere Frage: Ist der Name Bizzi in Ihrem Heimatland Österreich sehr verbreitet?
Der steht gar nicht im offiziellen Namensverzeichnis. Meine steierische Großmutter hat mich schon als Baby so genannt und dann haben es Gott sei Dank alle übernommen.
Das Interview wurde im August 2017 aufgezeichnet.


Verleihung der Platin-Preise an KLUBBB3 im Mai 2017

Täglicher Gedankenaustausch: Bizzi Nießlein und Hans R. Beierlein (88) im Sommer 2017