Vive la France – Die Franzosen kommen

Jahrhundertelang gellte es wie ein Schreckensschrei durch teutsche Lande: „Die Franzosen kommen!“ Napoleon überrollte den östlichen Nachbarn mit seinen Truppen und nach dem Ersten Weltkrieg machte sogar das unsägliche Wort von einer „Erbfeindschaft“ die Runde. Der Schulterschluss von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer brachte zwar in den 1950er Jahren die beiden Völker näher. Aber dennoch mag manchen Deutschen ein mulmiges Gefühl ergriffen haben, als 1978 an den Plakatsäulen die Zeile „Die Franzosen kommen!“ prangte, dekoriert von einem gallischen Hahn mit blau-weiß-rotem Gefieder.

Und sie kamen tatsächlich, die Franzosen, und sie eroberten die Deutschen mit sanften Liedern, aufrüttelnden Texten, unvergänglichen Melodien. Gleich drei Superstars der französischen Musikszene schickte Hans R. Beierlein im Frühjahr 1978 auf große Deutschland-Tourneen. Nicht gemeinsam, sondern hintereinander, denn jeder von ihnen füllte mühelos die Hallen bis unters Dach.

Salvatore Adamo, ein Italiener, der in Belgien lebte und in Frankreich seine ganz großen Erfolge hatte, machte den Anfang. Ihm folgte „Monsieur 100.000 Volt“, Gilbert Becaud, der im selben Jahr sein 25-jähriges Bühnenjubiläum feierte. Und last but not least Michel Sardou, mit seinen ernsthaften kritischen Liedern damals Frankreichs Entertainer numéro un.

Seit 1964 hatte sich Hans R. Beierlein höchst erfolgreich bemüht, die französischen Chansoniers und ihr Liedgut in Deutschland populär zu machen. In seinem Pariser Lieblingsrestaurant gründete er mit Freunden bei Sancerre und Loup de mer die „montana France“, jahrelang von seiner Mitarbeiterin Rosemarie Schnittler hervorragend geleitet. Er setzte die besten Autoren der deutschen Musikszene daran, die Texte seiner französischen Stars intelligent zu übersetzen und tat dabei auch neue Talente auf: Kabarettist und Boxexperte Werner Schneyder dichtete die Texte von Jacques Brel um, Burgtheatermime Michael Heltau interpretierte sie musikalisch. „Insgesamt“, schätzt Beierlein, „haben wir mit unseren französischen Künstlern über hundert erfolgreiche Titel in Deutschland herausgebracht.“

Da die Chansoniers nicht sonderlich kompatibel mit der ZDF-Hitparade waren, ließ Beierlein sich eine neue Präsentationsform einfallen: Im „ZDF Liedercircus“, zunächst von Heltau, dann von Helga Guitton präsentiert, fanden die Franzosen ihre Plattform, und natürlich auch die deutsch¬sprachige Lieder¬macher¬szene von Reinhard Mey bis André Heller. Über 60 Folgen wurden vom ZDF bis 1985 produziert.

„Mir hat schon immer die französische Lebensart gefallen“, begründet Beierlein seinen Hang zum Nachbarn jenseits des Rheins. „Das gute Essen, die Weine, die Architektur und natürlich die Kultur.“ Die Millionenerfolge seiner France-Stars in Deutschland schlugen Wellen bis in die Politik.

Frankreichs damaliger Kulturminister Jack Lang bot ihm 1982 den Französischen Verdienstorden an. Beierlein überzeugte ihn, gleich sechs Mitspieler auszuzeichnen, die sich um das französische Chanson verdient gemacht hatten – nämlich Peter Gerlach (stellvertr. Programmdirektor des ZDF), Felix Schmidt (Chefredakteur des „Stern“), Alfred Biolek (Moderator WDR) Christof Schmid (Unterhaltungschef beim Bayerischen Rundfunk), Friedrich Schmidt (Geschäftsführer Ariola-Eurodisc) und Reginald Rudorf (Journalist und Chefredakteur „rundy“).