Essen wie Gott in Deutschland

Als Inbegriff der deutschen Küche galten jahrzehntelang Sauerkraut mit Eisbein, fette Schweinswürste, schwere Soßen mit Mehlschwitze und Kartoffeln in großen Mengen. Selbst deutsche Hausfrauen und Köche trauten ihren Fähigkeiten keine internationale Reputation zu. Als Anfang der Achtziger Jahre Demoskopen um Vollendung der Zeile „Essen wie Gott in…“ baten, nannten ganze zwei Prozent der Befragten „Deutschland“.

Ausgerechnet der Kochpapst des Nachbarn Frankreichs, Paul Bocuse, brach schon damals eine Lanze für die Küche der Germanen. „Der Reiz der deutschen Küche liegt in der regionalen Vielfalt. Unter den Köchen gibt es viele fabelhafte Könner.“ Er nannte auch selbstbewusst einen Grund: „Viele haben ihre Ausbildung bei mir gemacht oder bei den Haeberlins.“

Medienmanager und Frankreich-Fan Hans R. Beierlein war schon in den Achtziger Jahren häufiger Gast in den Restaurants von Paul Bocuse und seiner deutschen Schüler Witzigmann, Winkler und Co. Bei genussvollen Menüs reifte der Gedanke, die deutschen Toppköche für Deutschlands Hausfrauen anrichten zu lassen. In ZDF-Redakteur Josef Göhlen fand er 1986 einen engagierten Mitstreiter. 24 Meisterköche, alle mit mindestens einem Michelin-Stern geehrt, durften ihre favorisierten Rezepte in einer ZDF-Serie präsentieren. Man verpasste ihr in Abwandlung einer Zeile des Autors Friedrich Sieburg den originell-provozierenden Titel „Essen wie Gott in Deutschland“. 237 Millionen Zuschauer schalteten irgendwann eine Kochshow ein, bei einer Folge verzeichnete das ZDF 8,5 Millionen, was einer Einschaltquote von 25 Prozent entsprach.

„Die Serie hat die Einstellung der Deutschen zu ihrer Küche nachhaltig beeinflusst“, sagte Beierlein. Es wurde mehr Wert auf gute Produkte gelegt, weniger lang gegart, anders gewürzt. Immerhin dachten nach dem Auslaufen der Serie bei göttlichem Essen statt der zwei Prozent jetzt 35 Prozent an Deutschland. Umso mehr, als es Nachhilfeunterricht gab: Nachdem die ZDF-Serie ausgelaufen war, brachte Beierlein unter dem Titel „Besser essen“ ein ähnliches Konzept bei der ARD unter.

Die TV-Serien wurden nach Beierleins Cross-Media-Konzept mit Büchern vertieft. Beim Kochbuch-Spezialisten Zabert & Sandmann kamen hochwertige Rezeptbücher heraus – mit Auflagen bis zu 200.000 Exemplaren.

Nachdem die Serien ausgelaufen waren, lud Beierlein alle Köche ins Waginger „Kurhausstübl“ von Alfons Schuhbeck ein. Bei strahlendem Sonnenschein schwebte plötzlich ein Helikopter ein, unter einer großen Kochmütze entstieg ihm Paul Bocuse himself. Mit Vergnügen denkt Beierlein an diesen Überraschungscoup, der bald darauf in eine neue Serie mündete: „Bocuse kocht deutsch“ war ein Dauerbrenner im ZDF-Frauenjournal „Mona Lisa“. Das daraus entstandene Kochbuch ist bis heute ein Bestseller – ausgerechnet in Japan. Internationaler kann ein Kochbuch nun wirklich nicht ausgerichtet sein.

Ein weiteres von Beierlein initiiertes Kochbuch, das aus einer Biertisch-Laune entstand, findet ebenfalls größten Anklang bei München-Besuchern aus dem Fernen Osten: Japaner und Chinesen lieben gleichermaßen das „Hofbräuhaus-Kochbuch“, das 2006 erschien.