Die Internationale:
Völker hört die Signale – Danke Genossen!
Ganz jungen Leuten muss man den Stellenwert des Liedes erstmal verdeutlichen. Bis vor 1989, als quer durch Europa noch der „Eiserne Vorhang“ lief, da war die „Internationale“ so was wie das Vaterunser der sozialistischen Staaten. Keine offizielle Feier ohne die „Internationale“. Lenin und Honecker, Mao und Castro, Che Guevara und Ho Chi Minh schmetterten die „Internationale“ nahezu täglich, Radiostationen begannen und beendeten den Tag damit. Das „Lied der Arbeiterklasse“ stand in einem Großteil aller Staaten dieser Welt gleichberechtigt neben der Nationalhymne oder gar über ihr.
Hans R. Beierlein fragte sich 1970: „Wem gehören eigentlich die Rechte an der ‚Internationalen‘? Wir fanden heraus, dass sie bei einem kleinen französischen Musikverlag lagen. Er gab sie uns gern für die Bundesrepublik. Die nächste Frage war: Und wer hat die Rechte für die DDR?“ Auch dort waren keine Verlagsrechte angemeldet. Flugs ergatterte der ausgewiesene Anhänger der kapitalistischen freien Marktwirtschaft auch die DDR-Verlagsrechte am Kampflied der sozialistischen Bewegung und schließlich die Rechte für den Rest der Welt. „Das Ganze hat ein paar tausend Mark gekostet“, sagt er. „Es brachte mir weltweite Schlagzeilen ein, für die ich einer PR-Agentur Millionen hätte zahlen müssen.“
Mit froher Laune schrieb Beierlein ans Ostberliner Ministerium für Kultur und mahnte die vierteljährlichen Abrechnungen an. Es kam ein Entschuldigungsbrief – und fortan pünktlich die Lizenzgebühr. „Alle Staaten haben gezahlt“, freute er sich. „Mit Ausnahme von Nordkorea und Kuba.“ Millionen flossen nicht aufs montana-Konto, aber die diebische Freude über den gelungenen Coup kann Beierlein bis heute nicht verbergen.
Der Versuch, aus der DDR den ausgebürgerten Liedermacher Wolf Biermann zu einem neuen Text zu animieren, scheiterte. Dafür freute sich ein anderer über ein unverhofftes Zubrot: Die „Internationale“, 1888 vom Belgier Pierre Degeyter komponiert, hatte der Hamburger Emil Luckhardt 1910 mit einem deutschen Text versehen. Beierlein tat den Sohn des Dichters auf und ließ ihn an den Autoren-Tantiemen teilhaben.
Auch das ist Vergangenheit. Seit 2003 sind alle Urheberrechte abgelaufen. Jeder kann die „Internationale“ kostenfrei vermarkten – aber keiner will es mehr. Die letzte Live-Präsentation brachte Harald Schmidt vor Jahren in seiner Late-Night-Show. Er ließ den Text ans Publikum verteilen und schmetterte ihn „für Hans R. Beierlein in München“:
Wacht auf, Verdammte dieser Erde,
die stets man noch zum Hungern zwingt!
Das Recht wie Glut im Kraterherde
nun mit Macht zum Durchbruch dringt.
Reinen Tisch macht mit dem Bedränger!
Heer der Sklaven, wache auf!
Ein Nichts zu sein, tragt es nicht länger
Alles zu werden, strömt zuhauf!
Völker, hört die Signale!
Auf zum letzten Gefecht!
Die Internationale
erkämpft das Menschenrecht.

Sozialismus-Ikone Karl Marx (1818 – 1883)
