Europa für Bernstein
Es sind nicht nur die Millionendeals, die einem Unternehmer Freude bereiten. Ein gelungener Coup, der kein Geld, aber Bewunderung einspielt, kann ebenfalls Spaß machen. Hans R. Beierlein dachte stets mit Vergnügen daran, wie es ihm 1977 gelang, eine eher provinzielle Schlagertrophäe und einen Weltstar der Klassik zusammenzuführen.
Die „Goldene Europa“ war als „Bambi“ der Musikwirtschaft angetreten, ähnlich dem damals heißbegehrten „Löwen von Radio Luxemburg“. Aber die 1968 gestartete Auszeichnung des Saarländischen Rundfunks tat sich schwer gegen die populären Luxemburger Löwen.
Viele Künstler hatten nahezu vollzählig die Trophäe, eine stilisierte Dame ohne Oberweite, in Empfang genommen, als Hans R. Beierlein antrat, der „Goldenen Europa“ zu internationaler Reputation zu verhelfen. Er schlug vor, den legendären Dirigenten und Komponisten Leonard Bernstein („Westside Story“) auszuzeichnen. Bernstein, so stand überall zu lesen, hatte den Unterschied zwischen „Ernster“ und „Unterhaltungs“-Musik mit einem Satz negiert: „Es gibt keine U-Musik und keine E-Musik. Es gibt nur gute Musik und schlechte.“
Aber würde der langjährige Chef des New York Philharmonic Orchestra die Auszeichnung annehmen? Beierlein traf ihn in Paris und dort entspann sich nach seiner Erinnerung das folgende Gespräch.
Bernstein: „Wofür soll ich den Preis erhalten?“
Beierlein: „Für Ihren großartigen Satz ‚Es gibt keine U-Musik und keine E-Musik. Es gibt nur gute Musik und schlechte.’“
Bernstein: „Ein guter Satz. Wer soll den gesagt haben?“
Beierlein: „Sie, Mr. Bernstein. So steht es überall.“
Bernstein: „Ich? Keine Ahnung. Was soll ich gesagt haben?“
Beierlein: „Es gibt keine U-Musik und keine E-Musik. Es gibt nur gute Musik und schlechte.“
Bernstein: „Toller Satz. Den hätte ich gerne gesagt. Okay, ich nehme den Preis an.“
Deutschlands einschlägige Journaille wurde 1977, am Tag der Preisverleihung, per Jet nach Paris verfrachtet, wo einem sichtlich gerührten Leonard Bernstein die „Goldene Europa“ überreicht wurde. Udo Jürgens ehrte auf seine Weise den Preisträger mit einem gemeinsamen Auftritt am Piano.
Leonard Bernstein starb 1990 in New York. Er wurde 72 Jahre alt.
