Michael Kunze: Der Beste der Besten
Er ist auf Deutschlands Bühnen zweifelsohne der Erfolgreichste aller Autoren. Aber es sind nicht die kleinen Kammertheater, nicht die Komödienstadls, auch nicht die Schauspielhäuser, in denen seine Stücke Triumphe feiern, sondern die ganz großen Hallen und Musicalbühnen. Dr. Michael Kunze hat fast allen international erfolgreichen Musicals deutsche Worte und eine deutsche Seele verliehen: „Evita“, „Cats“, „Das Phantom der Oper“, „A Chorus Line“, „Der König der Löwen“, „Mama mia“, etc., etc. Weitere Musicals entstammen komplett seinem Schaffen: „Elisabeth“, „Tanz der Vampire“, „Mozart“, „Rebecca“, „Die zehn Gebote“ oder auch „Alexandra“…
„Ich habe die Genialität dieses Mannes schon vor vierzig Jahren erkannt und nutzen können“, freute sich montana-Chef Hans R. Beierlein. Erstmals kreuzten sich die Wege der beiden Anfang der Sechziger Jahre. Michael, damals noch Schüler, spielte ihm einen Text vor, den er für eine Schülerband geschrieben hatte. Es wurde zwar nur ein nettes Geplänkel, „aber es genügte, um meine Zuversicht zu stärken“, erinnert sich Kunze.
Er studierte Rechtswissenschaften, promovierte, und bot tapfer Künstlern seine Texte an. 1970 landete er mit „Du“, Peter Maffays erster Platte, einen Nummer-Eins-Hit. Kurz drauf saß er wieder in Beierleins Büro und wurde mit dem überraschenden Angebot konfrontiert, Titel für Udo Jürgens zu texten. „Die Arbeit mit Hans war etwas, was ich mir immer gewünscht, aber vorher nie gefunden hatte“, meint Kunze. „Wirkliches Teamwork. Beim Entwickeln der Ideen und ‚Zeilen’ war Hans dabei, lehnte ab und fand gut, um dann die Ausarbeitung mir zu überlassen.“
Die erste Erkenntnis der Troika lautete „Der Teufel hat den Schnaps gemacht.“ Es war der Auftakt einer Serie wunderbarer Udo-Erfolge – „Das ehrenwerte Haus“, „Und dabei könnt sie meine Tochter sein“, „Griechischer Wein“, und viele andere. Michael Kunze wurde Udos Hausdichter. Immer mehr Künstler standen für seine Texte an und verdanken ihm ihre Brot-und-Butter-Titel: Peter Alexander („Die kleine Kneipe“), Jürgen Drews („Ein Bett im Kornfeld“), die „Münchener Freiheit“ („Ohne dich schlaf ich heut Nacht nicht ein.“), um nur einige zu nennen. Die von ihm gegründete Damengruppe Silver Convention (Fly, Robin Fly“) erreichte er 1975 sogar Platz Eins der US-Charts. Zudem schrieb der begnadete Allrounder diverse Theaterstücke und Bücher.
Obwohl der Song „Ich war noch niemals in New York“ aus Kunzes Feder stammt, lehnte er es ab, das gleichnamige Musical zu betexten. Trotz seiner langen Freundschaft mit Udo hat er nie wieder einen Text für den Künstler geschrieben, seit sich Udo 1977 von seinem ersten Manager Beierlein getrennt hatte.
Die enge Verbundenheit zwischen Dichter und Manager blieb über all die Jahrzehnte erhalten. Als Beierlein 2010 den Showveranstalter-Award LEA für sein Lebenswerk erhielt, sprach Michael Kunze die Laudatio. Besser kann man ein Leben nicht umreißen.

Beierlein, Adamo, Kunze 1975
Laudatio auf Hans R. Beielerin
Von Dr. Michael Kunze, am 15. April 2010
Wie hält man eine Laudatio auf jemanden, der von seinen Freunden keine Komplimente, sondern Kritik erwartet? Man verkneift sich die Lobhudelei und benennt seine Schwächen.
Der Mann, den wir ehren, ist unbescheiden. Ein Nachwuchstalent namens Udo Jürgen Bockelmann zum Star aufzubauen, war ihm zu wenig. Er musste ihn zur lebenden Legende machen.
Er ist respektlos. Die ehrwürdigen öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD und ZDF brachte er um ihr Fußballübertragungs-Monopol, indem er einen Deal mit dem DFB machte, das die Medienlandschaft revolutionierte.
Und ist es nicht unverschämt, dass er in zehn Minuten mehr Ideen hat als sämtliche TV-Redaktionen in einem Jahr!? An die hundert quoten-trächtige TV-Sendungen hat er konzipiert – von „Essen wie Gott in Deutschland“ bis zur „Krone der Volksmusik“.
Und was für eine Rücksichtslosigkeit! 1975 mutete er 70 Millionen Deutschen einen kalten und verregneten Sommer zu, nur damit sein Künstler Rudi Carrell einen Top-Hit landen konnte mit „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“
Der Mann schreckt vor nichts zurück. Als erster ließ er Fußballer singen – auf die Idee muss einer kommen! Das Schlimmste: Die Alben machten Gold und Platin.
Er ist gnadenlos ehrlich und sagt Sätze wie: „Die Profis sterben aus und die Arschlöcher vermehren sich wie die Karnikel“.
Prinzipien hat er auch nicht. Als bekennender Konservativer verwertet er die Musikverlagsrechte der Kommunistenhymne „Völker höret die Signale“. Den Fall des Eisernen Vorhangs sah er daher mit gemischten Gefühlen. Zwar begrüßte er den Sturz der Sowjetherrschaft, doch das Sinken der Lizenzeinnahmen für die „Internationale“ trübte seine Freude erheblich. Als Verleger nennt er sich wiedervereinigungsgeschädigt.
Er ist das, was man früher einen „Lebemann“ nannte. Vom Essen versteht er fast so viel wie von Frauen. Steirischem Wein kann er schwer widerstehen, steirischem Charme nie. Er fährt nur in bequemen Autos, trägt Maßhemden und Kaschmirjackets, schläft in den besten Hotels mit den hübschesten… aber da nähere ich mich ja schon wieder den Komplimenten.
Wieder kritisch: Der Mann ist ein Verführer. Mit seiner sanften Stimme platziert er wohlformulierte Bonmots treffsicher in jedes Herz. Man muss keine Frau sein, um ihm hörig zu werden, aber es ist ihm lieber.
Mit allen Mitteln zieht er den Leuten das Geld aus der Tasche. Zu seinen Erfindungen gehört etwa der Benefiz-Tonträger. Organisationen wie dem „Roten Kreuz“ und der „Welthungerhilfe“ hat er auf diese Weise Spenden in Millionenhöhe zugeschanzt.
Er verstellt sich. Seine Lieblingsrolle ist die des Branchenhais. Er gibt den knallharten Medienpromoter, den bösen Manager. Aber unter uns: Der Mann hat Herz.
Beweis ist sein Ausspruch „Es gibt ein Menschenrecht auf Unterhaltung“. Wer so denkt, liebt die Menschen. Ihnen hat er unglaublich viel gegeben im Laufe seines Lebens: Hunderte von Hits, unvergessliche Konzerte, große TV-Sendungen. Ohne ihn wären Alexandra, Gilbert Bécaud, Esther und Abi Ofarim, Stefanie Hertel, Florian Silbereisen und natürlich Udo Jürgens keine Stars bei uns geworden. Ohne ihn gäbe es keine Volksmusikwelle und kein „Lieb Vaterland, magst ruhig sein“.
Ich freue mich, den LEA-Preis für ein Lebenswerk dem König des deutschen Entertainments überreichen zu dürfen:
Dem großen Hans R. Beierlein!

Nach LEA-Verleihung:
Kunze, Beierlein

Dankesrede vom Geehrten