Rudi Carrell: Wann wird´s denn endlich Sommer
Ein Pavarotti war er nicht. Aber dennoch hat Deutschlands berühmtester Holland-Import sehr erfolgreiche Platten gemacht – und das unter tatkräftiger Mithilfe von montana-Chef Hans R. Beierlein. Der befand, dass man die ungeheure Popularität des Showmasters in den Sechziger und Siebziger Jahren nicht kommerziell ungenutzt lassen durfte.
„Ich habe die besten Autoren angespitzt, witzige Lieder für Carrell zu schreiben“, erinnerte sich Beierlein. Thomas Woitkewitsch fiel im verregneten Juni 1975 der Text „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“ ein – zur Melodie von „City of New Orleans“. Es wurde in diesem und folgenden verregneten Jahren zur Schicksalsmelodie einer sonnenentwöhnten Nation.
Originell machte sich Carrell in weiteren Songs über seine vergeblichen Reimkünste lustig: „Goethe war gut“ und er sorgte sich gegenüber einer offensichtlich frigiden Dame: „Liebling, die Deutschen sterben aus.“ Als Rudi 1980 seine Show „Am laufenden Band“ beendete, stellte er bedauerlicherweise auch die Sängerkarriere ab. Bis zu seinem Krebstod 2006 hat er zwar viele weitere erfolgreiche Unterhaltungsshows produziert, aber keine neuen Lieder mehr.
Zum 65. Geburtstag von Hans R. Beierlein erinnerte sich Rudi Carrell in einem Beitrag zur Festschriftl, wie sehnsüchtig und vertrauensvoll er mal auf ein Autogramm gewartet hat. Auf ein Autogramm seines Musikverlegers. Damals schrieb Rudi Carrell:
Hans, ich brauch‘ 100.000 Mark
Von Rudi Carrell
1980. Ich wollte nach Beendigung der „Am laufenden Band“-Serie ein ganzes Jahr Pause vom Fernsehen machen und mal wieder etwas von der Welt sehen. Ich kam allerdings nicht weit, denn die erste Reise führte mich nach Südfrankreich, wo ich ein Traumhaus sah mit einem Schild im Garten „Zu verkaufen“.
Ich erkundigte mich nach dem Preis und musste feststellen, daß mir 100.000 Mark fehlten. Da fiel mir ein, dass ich gerade eine LP aufgenommen hatte, die von Hans Beierlein produziert wurde. Obwohl diese LP nicht unbedingt hitverdächtig war, rief ich ihn an und fragte, ob er mir einen Vorschuß geben könne über 100.000 Mark. „Selbstverständlich“, sagte er, „sind Sie morgen bei der Bambi-Verleihung?“ „Ja“, antwortete ich. „Dann sehen wir uns da, und ich habe den Scheck dabei.“
Nachdem ich mich bedankt hatte, rief ich meinen Manager Dick Harris an. Dick war ein sehr zynischer Mann mit einer großen Macke – er glaubte alles, was in Boulevard-Zeitungen stand. Und weil in jener Zeit Hans Beierlein auch mal negativ dargestellt wurde, war seine erste Reaktion: „Von dem Spinner kriegst du nie 100.000 Mark.“ Ich erwiderte: „Dick, dieser Mann hat sich mir gegenüber immer äußerst korrekt verhalten und ich glaube seinem Wort. Außerdem bist Du morgen abend sowieso bei der Bambi-Verleihung; dann kannst du ihn mal kennenlernen und dabei sein, wenn er mir den Scheck überreicht.“
Als die Verleihung losging, war die gesamte Branche versammelt, mein Manager inklusive – nur Hans Beierlein fehlte. „Was habe ich Dir gesagt?“, flüsterte Dick mir ins Ohr. „Er ist ein Spinner.“ „Dick“, sagte ich, „der Mann kann solche Verleihungen ebenso wenig ab wie ich, nur muß ich hier sein, weil ich ein Bambi bekomme.“ „Ein Scheck wäre mir lieber“, sagte Dick.
Auch auf der anschließenden Party war von Hans Beierlein weit und breit nichts zu sehen. Weil ich immer noch an ihn glaubte, waren Dick und ich die letzten, die sich nachts um drei eine Taxe zum Hotel bestellten. Auch während der Fahrt konnte Dick es nicht lassen. „Der Beierlein ist nicht nur ein Spinner, er ist auch ein Betrüger.“ „Ach Dick, halt´ die Schnauze, ich bin müde.“
Wir betraten die Halle des Hotels und baten den Pförtner um die Zimmerschlüssel. Der Pförtner überreichte mir nicht nur den Schlüssel, sondern auch einen Briefumschlag ohne Absender. „Bestimmt ein Autogrammwunsch“, sagte ich und überreichte ihn Dick.
Wir stiegen in den Fahrstuhl, und neugierig wie Dick nun einmal war, riss er den Umschlag auf – heraus kam das Autogramm, auf welches ich einen ganzen Tag gewartet hatte: Ein Scheck über 100.000 Mark, unterschrieben von Hans R. Beierlein.
Lachend schaute ich Dick an. „Ein Spinner, was? Ein Betrüger!“ Dick sagte nichts, stieg aus dem Fahrstuhl und hatte eine schlechte Nacht – ich nicht!

