Nürnberger Prozess: Ein Film geht um die Welt

Es war der größte Prozess der Weltgeschichte. Im November 1945 stellten die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs 24 Politiker, Wirtschaftsführer und Militärs des „Dritten Reichs“ als Hauptkriegsverbrecher vor ein internationales Militärgericht. Der Prozess fand in Nürnberg statt und dauerte zehn Monate. Das Gericht verhängte zehn Todesurteile und mehrere, zum Teil lebenslängliche Freiheitsstrafen. „Reichsmarschall“ Hermann Göring nahm sich vor der Urteilsvollstreckung per Giftampulle das Leben.

Der 16-jährige Schüler Hans Rudolf Beierlein verfolgte den Prozess in seiner Heimatstadt Nürnberg irritiert und mit wachem Interesse. All die Männer, die jahrelang in den Medien und in der Schule als unangreifbare Helden dargestellt wurden, saßen plötzlich als Schwerverbrecher auf der Anklagebank und machten alles andere als staatsmännische Figuren.

1958 erschien in der damals führenden „Münchener Illustrierten“ eine höchst erfolgreiche Serie über den Nürnberger Prozess und insbesondere die letzten Monate von Hermann Göring. Beierlein war inzwischen 29, ein angesehener Journalist, und er hatte an ersten Spielfilmen mitgearbeitet. Die Illustrierten-Serie weckte in ihm die Idee eines Dokumentarfilms über den Nürnberger Prozess. Rasch wurde er mit Josef von Ferenczy, dem Agenten des Illustriertenautors, einig. Man gründete eine gemeinsame Filmfirma, die Continent-Film und Beierlein ging auf die Suche nach dokumentarischem Filmmaterial. „Ich habe mir Zugang zum Staatsarchiv der französischen Armee verschafft“, erinnert er sich. „Da gab es unendlich viel Material, wie man es zuvor noch nie gesehen hatte, vor allem über Göring.“

Regisseur Félix Podmaniczky schnitt die Ausschnitte zusammen mit Wochenschaumaterial zu einem beklemmenden Streifen in Spielfilmlänge. Unter dem Titel „Wieder aufgerollt: Der Nürnberger Prozess“ kam Beierleins erster (und einziger) selbstproduzierter Film heraus. Er erregte immenses Aufsehen, erhielt den Bundesfilmpreis und das Prädikat „Besonders wertvoll“. Noch größer als in Deutschland war der Erfolg der Dokumentation in den USA und in jenen Ländern, die unter den Hauptfiguren des Films in Deutschlands schwärzester Zeit gelitten hatten.